Zeitnot
Seitdem die Uhr erfunden ward,
da wurde Zeit ganz knapp,
heut hetzen Uhren jeder Art
und halten uns auf Trab.

Die erste Uhr fängt morgens an,
sie ist auch meist gehasst,
bevor man richtig denken kann,
wird man vom Stress erfasst.

Die nächsten Uhr'n sind Goldes wert,
ihr Zeitwerk wird gelobt,
denn schwärzt der Toast und glüht der Herd,
dann hätte man getobt.

Es rast die Zeit in Bad und Flur,
man ist so spät schon dran,
jetzt sucht man noch die Armbanduhr,
die Zeit - sie hält nicht an.

Nun ist die Uhr am Handgelenk,
die Suche war uns hold,
das bessert nichts - die Zeit wird eng,
denn Zeit ist manchmal Gold.

Dann wartet man und sitzt im Stau,
die Uhr - sie wird zum Feind,
man wäre sonst ja so genau,
nun wartet man - vereint.

Am Abend dann das gleiche Bild,
statt Ruhe nur noch Stress,
die Straßen voll, man fährt wie wild,
die Zeit - sie läuft indes.

Man weiß, dass es auch anders ging
vor langer, langer Zeit,
bevor der Mensch das Feuer fing,
vom Zeitdruck - noch befreit.

Der Urmensch war stets ohne Uhr,
er schlief die ganze Nacht,
des Tags war er in Wald und Flur,
wo er die Zeit verbracht.

Und oft schlug er die Zeit auch tot,
wenn er sie nicht vertrieb,
so kam er nie durch Zeit in Not,
auch dann nicht - wenn sie blieb.
aus unserem Bild-Gedichtband "Von Zeit zu Zeit"
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Gedicht der Woche - Kw 05 / 2014
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Fotos & Gedichte: © Klaus Ender